Wer wissen will, wie alles mit GoldenEye auf dem N64 begann, sollte sich dieses Interview mit Martin Hollis mal durchlesen. Der Bericht enthält sehr viele Infos, wie GE entstanden ist, was
man erreichen wollte und wie das Game die Grundlage für Stealth-Shooter gegeben hat. Ein wahrer Meilenstein der Videospielgeschichte – IGN bewertete das Spiel damals mit 9.7/10 – und das Echo war in der Presse überwältigend.
Es bleibt damit auch eine der beste Filmumsetzungen überhaupt. Es kam im August 1997 auf einem 12MByte (96MBit) Modul heraus und bis heute wurden sehr viele Elemente von anderen Spielen übernommen. GoldenEye war einfach seiner Zeit meilenweit voraus: Quake II erschien erst Monate später, Metal Gear Solid (PSX) und Half-Life erst im folgenden Jahr (September bzw. November 1998). Anbei ein paar kurze Auszüge aus Hollis‘ Bericht (erschien schon 2004), die Licht hinter die Kulissen des Kultspiels bringen…
„The second example is of level setup showcasing the AI. Bond enters a room and there are three guards. One runs to the alarm, the other two guards reach for their weapons. Bond faces a dilemma: who to shoot first? This scene, taken pretty much directly from one of the earlier screenplays of the movie was one of the most exciting scenes for me, in terms of gameplay and AI innovation. I’d never seen anything like it in a game. Consequently, alarms, and people running to them was a major part of the AI of the game. But the times when this cleverness on the part of the programmers and designers really counted, was when you could see the NPC deciding what to do, and doing it. That is to say, when it is showcased.“
„One important factor was this: The level creators, or architects were working without much level design, by which I mean often they had no player start points or exits in mind. Certainly they didn’t think about enemy positions or object positions. Their job was simply to produce an interesting space. After the levels were made, Dave or sometimes Duncan would be faced with filling them with objectives, enemies, and stuff. The benefit of this sloppy unplanned approach was that many of the levels in the game have a realistic and non-linear feel. There are rooms with no direct relevance to the level. There are multiple routes across the level. This is an anti-game design approach, frankly. It is inefficient because much of the level is unnecessary to the gameplay. But it contributes to a greater sense of freedom, and also realism. And in turn this sense of freedom and realism contributed enormously to the success of the game.“
Erstaunlich, wie real doch diese Probleme in heutigen Shootern geblieben sind! Leider ist mittlerweile die alte Detstar-Homepage vom Netz genommen worden, als weitere Anlaufstelle empfehle ich GoldenEye Forever und das GoldenEyeWiki. Es sollte übrigens mal eine Umsetzung für Xbox Live kommen, aber daraus ist leider nichts geworden, weil sich Nintendo und Microsoft nicht über die „finanzielle Sicht der Dinge“ einigen konnten. An diesem Umstand konnte bis jetzt auch keine Petition was ändern. GoldenEye bleibt damit nur noch unsterblicher im Gedächtnis der Spieler hängen, wie zahlreiche PC-Portierungen beweisen…
Der Nachfolger Perfect Dark ist immerhin auf der Plattform Xbox Live Arcade erschienen (17. März 2010) und beinhaltet einige GoldenEye-Waffen und Levels – die gab es aber schon im Original. 😉
Lesenswert sind zudem der racketBOY-Bericht „GoldenEye 007 – Ten Years Later“ und natürlich das mehrseitige Retrogamer-Special „The making of GoldenEye“ in Heft 38.
Update 9. Juli 2012: Ziemlich krass: GoldenEye Spectrum Emulation Unlocked!
GoldenEye, for the Nintendo 64, is one of the all-time classics of gaming. Recently, a fan uncovered an Easter egg Rare had buried in GoldenEye’s code: a fully functional emlulator for the ZX Spectrum system, complete with ten games. – [Quelle Kotaku]
Wie geil ist das denn? 🙂 Nach so Sachen wie dem Citadel-Hack kommt SO eine Sache heraus!
Update 26. November 2013: Besser spät als nie: Wer Martin Hollis‘ Beitrag auf der GDC 2012 nicht gesehen hat, sollte unbedingt mal reinschauen! Eine der beeindruckensten Facts: Im März/April 1997 hat man sich entschlossen, doch noch einen Multiplayer-Modus einzubauen – ohne Nintendo oder RARE zu informieren. Das Ganze wurde innerhalb eines Monats durch Steve Ellis und Duncan Botwood implementiert. Wer mehr dazu wissen will, sollte hier weiterlesen. NowGamer (das „Gegenblatt“ zur RetroGamer 😉 ) hat dazu 2011 ein lesenswertes Making Of GoldenEye veröffentlicht. Weiter interessant ist noch ein Interview mit Duncan Botwood und Marc Edmonds: The Men Who Knew Too Much
Ob es ein solches Spiel irgendwann mal wieder geben wird? Man kann es sich kaum vorstellen. Das Team (am Ende 9 Entwickler) konnte im Prinzip so kreativ sein wie sie wollten, sie bekamen alle Freiheiten und alle Zeit. Das merkt man in jeder Situation im Spiel. Hier wurde kein Shooter auf dem (Lizenz-)Reißbrett entwickelt, sondern ein Spiel, dass teilweise unbewußt so viele neue Wege ging. Die Ideenfülle ist in heutigen Projekten nicht mehr wirklich realisierbar, schon dann nicht, wenn mehr als 200 Leute an ein und dem gleichen Projekt arbeiten.

Naütrlich ist klar: Es gab einige glückliche Umstände, die zum Erfolg beigetragen haben. Die James-Bond-Lizenz von GoldenEye wurde einfach von der Konkurrenz ignoriert (immerhin war der Film ja schon seit 2 Jahren draußen und hätte damit andere Teams für einen Stealth-Shooter inspirieren können) und speziell Film-Umsetzungen genossen keinen guten Ruf.
Das Team wurde kaum von Außen beeinflusst, konnte selbständig entscheiden, hatte das technische Know-How und einen exzellenten Team-Spirit, den man immer wieder aus den Interviews herausliest.
Diese Konstellation, ein Spiel für eine noch sehr unbekannte Hardware zu entwickeln, das volle Vertrauen des Publishers zu genießen und all die kreative und ideenreiche Arbeit des talentierten Teams wirklich fertig zu stellen, war eine Meisterleistung:
Development was very freeform and unplanned back then – some things made it in and some didn’t. We really were working out how to do everything as we went along. [Quelle]

Zudem hat man sich nicht zu sehr von anderen Produkten inspierieren lassen: GoldenEyes Vorbild war in vielen Teilen Super Mario 64 (Missionsdesign, sinnvolles Levelrecycling,…) und nicht mehr das am Anfang anvisierte Virtua Cop. PC-Shooter spielten gar keine Rolle, der Film diente insgesamt nur für die Szenarien und die Story eine Rolle, nicht aber für das Spieldesign mit all seinen Freiheiten und seinem Sandbox-Charme.
Die Details waren damals schon atemberaubend und zeigen, dass GoldenEye gerade durch diese vielen, kleinen Dinge etwas Besonderes wurde:
Bullet holes in glass, graceful forward rolls, hats being blown off heads and the knocking knees of terrified scientists. [Quelle]
Der Nachfolger Perfect Dark zeigte dann auch, dass dies keine Eintagsfliege war und RARE den Sprung zum N64-Zugpferd geschafft hat. Dass man nebenher auch noch das Genre revolutioniert hat, ist umso erstaunlicher, wenn man sich die Entwicklung des Spiels anschaut.

Denn was hört man heutzutage immer wieder? „Wie brauchen einen Call of Duty/Halo/Killzone-Killer“ oder einen „GT/Forza-Killer“; „Wir brauchen ein Spiel wie XY in unserem Portfolio.“ Neue Spielkonzepte haben so oder so schwer.
Vor allen Dingen, wenn man auf keine bestehenden Lizenzen zurückgreifen kann oder kein Serienprodukt entwickelt. Man denke nur an die Verkaufszahlen von Enlslaved, Remember Me oder Mirror’s Edge und selbst die exzellenten Wertungen von Vanquish oder Rayman Origins (welches immerhin auf die Rayman-Lizenz zurückgreifen konnte) konnten nicht für einen Millionenseller sorgen.
Das war bei GoldenEye anders. Die Spieler waren anders. Sie wollten unbedingt was „Neues“ mit der kommenden 3D-Generation schaffen. Die Technik war endlich schnell genug, um neue Ideen umzusetzen. Und konsolen-exklusive Shooter waren sowieso selten. GoldenEye hat damit zig Nachfolgeprodukte und Modifikationen für andere Shooter inspiriert.
2004 versuchte es EA mit der GoldenEye-Lizenz wieder, an den glorreichen Titel von damals anzuknüpfen (siehe GoldenEye: Rogue Agent), floppte damit aber bei den Wertungsrichtern und Spielern. Das Remake von 2010 orientierte sich dann sowieso mehr an Call of Duty als an seinem Vorbild und konnte damit nicht so recht überzeugen – am ehesten noch auf der Wii, auch wenn die Entwicklung alles andere als einfach war.
Was bleibt, ist ein Klassiker, der einen Status bei Kritikern wie auch Spielern erreicht hat, der zweifelsfrei zu den Meilensteinen des Genres gezählt werden darf.
Zum Schluß gibt es noch ein nettes Video: GoldenEye 007 – 15 Year Retrospective Review
Auf jeden Fall! Gerade bei GoldenEye finde ich es krass, wie lange schon Infos immer wieder hervorkommen. 🙂
Immer wieder spannend, wenn so viele Jahre später noch neue Dinge/Infos auftauchen.
Update erstellt und groß erweitert. GE ist einfach traumhaft…