Traumjob Spielentwicklung?


Gamedesign und Spieleindustrie – wer denkt da nicht an einen Traumjob? Auf 4players.de gibt es dazu einen interessanten Kommentar von Chefredakteur Jörg Luibl. Hinter dem für viele Menschen spaßigen Zeitvertreib ist mittlerweile eine Industrie gewachsen, die vielleicht nicht ganz den Vorstellungen an die perfekte Arbeitswelt entspricht. Wurden die 70er und 80er-Jahre noch von Pionieren, selbstständigen Entwicklern und kleinen Studios geprägt (siehe „The Ultimate History of Video Games„), ist die heutige Zeit ein knallhartes Geschäft großer, börsennotierter Unternehmen. Ein Job in der Spielebranche war schon immer geprägt von Pizza-Schachteln und Überstunden, aber jetzt kommen schlechtes Management und unsichere Arbeitsbedingungen hinzu. Luibl bestätigt:

Nur wenn man sich wohl fühlt, kann man kreativ arbeiten.

Aber in was für einem Umfeld sollen denn „kreativgeprägte“ Spiele überhaupt entstehen?

Die Anfänge

Sicherlich gab es existenzielle Probleme schon immer im Bereich der Videospiele, man schaue sich nur den Fall des Computerriesen Commodore an. Die 70er, 80er und auch noch die 90er Jahre waren eine Zeit vieler Experimente – damit verbundenen natürlich die Erfolgsgeschichten namhafter Unternehmen wie Electronic Arts, Nintendo oder SEGA. Es wurden Standards gesetzt und Genres erschaffen. Es wurde ausprobiert und getestet, was beim Kunden ankommen könnte. Professionelles Management im traditioenellen Sinne wurde bei den wenigsten Unternehmen wirklich eingeführt. Wie auch? Schließlich steckte die Branche noch in den Kinderschuhen und selbst damalige Medienunternehmen wie Time Warner scheiterten dabei, eine Firma wie ATARI erfolgreich in die Zukunft zu führen, weil die Ideen und Vorstellungen zwischen Management und Entwicklung durch und durch verschieden waren.

Die Situation heute

Mittlerweile ist aus dieser „Ursuppe“ eine gigantische Industrie entstanden, die von wenigen Konzernen und Medienunternehmen geprägt ist und millionen von Spielern bedienen will. Ganz im Sinne der klassichen Medienkonzernbildung in anderen medialen Bereichen. Und weil man die Marktmacht nicht wie Commodore oder ATARI wieder verlieren möchte, fängt man an mit zweifelhaften Instrumenten aus der Betriebswirtschaft die Philosophie des Unternehmens zu untergraben: Die Professionalisierung der Branche macht Schluß mit „lustig“, es geht nicht (nur) um tolle Ideen. Es geht um massentaugliche Software, die auf totale Markttauglichkeit gebürstet wird – koste es, was es wolle. Statt der erhofften Auslebung der Kreativität geht es um gewinnbringende Projekte, um Umsetzungen von schon bestehenden Spielen auf weitere Plattformen und um Auftragsarbeiten zu neuen Kinofilmen. Gern auch durch billige Entwickler im Ausland, die jedes Angebot scheinbar wohlwollend annehmen. Denn wer kann es sich schon leisten, den möglichen Erfolg eines Projektes nicht zu kennen und damit die Existenz des Unternehmens zu gefährden? Warum ein innovatives Spiel entwickeln, wenn man mit einem x-beliebigen Shooter weitaus mehr Geld scheffeln kann? Was spricht denn wirklich dagegen, einen Lizenztitel mit klaren Storyvorgaben herausbringen? Ist doch viel einfacher und man hat schon die potenziellen Kunden durch den bekannten Namen im Visier, muss diese nicht erst von seinem Konzept überzeugen. Die Globalisierung ist gerade im Bereich der Videospielentwicklung ein Segen für jeden Geldgeber: Das Intro kommt günstig aus Tschechien, das Leveldesign aus Irland, die KI aus Indien und die Texturen aus China. Das ganze soll dann in den USA zusammengesteckt und in Europa verkauft werden. Klingt wie ein Produktionsgut aus der PC-Branche oder der Automobilindustrie. Wo soll da die „Seele“ eines Spiels sein, wenn es sowieso schon von vorn herein feste Vorgaben gibt, die man nicht ändern kann?

Die Folge

Es geht also um Zielvorgaben, Absatzzahlen und Gewinn. Kreative Studios wie z.B. Clover werden geschlossen, weil die Verkauftszahlen hinter den Erwartungen zurückbleiben, egal ob das Produkt vielleicht spielerisch einzigartig ist. Die große Musik machen Massenproduktionen wie Call of Duty, Assassin’s Creed oder Halo. Erst mit der nötigen „Manpower“ (Teams in der Größenordnung von 250 Entwicklern und riesigen Budgets, die eben erst finanziert werden müssen) lassen sich ambitionierte Großprojekte planen, die ganz klar als Erfolg getrimmt werden – negative Presse stört, auch wenn das Produkt am Ende den Erwartungen nicht entspricht. All das ist der Preis dafür, dass die Branche „erwachsen geworden“ ist.

Fazit

Diese kurze Skizzierung des derzeitgen Szenarios ist sicherlich unvollständig und man möge mir die oberflächliche Betrachtung verzeihen: es könnten ganze Bücher mit der Thematik gefüllt werden. Die Parallelen zu anderen Industrien werden immer sichtbarer und es stellt sich die Frage: Wie kann man denn überhaupt Kreativität im Beruf umsetzen, wenn es nur noch um das Geld geht? Machen glattgebügelte Produktionen überhaupt noch in Zukunft Spaß? Das wird wohl erst die Zeit beantworten, wobei die Antwort sehr wahrscheinlich mit „Ja“ ausfallen wird. Warum? Weil die Industrie erfolgreich sein will und weil sie genau wissen wird, was wir wollen, es sei denn, man steigt aus und sucht sich ein anderes Hobby. Doch es wird immer wieder Teams geben, die dem Marktkalkül widersprechen werden und neue Wege gehen, um ein Genre voranzutreiben oder in neue Dimensionen zu stoßen. Denn erst wenn es die Möglichkeit gibt, Träume zu leben, kann ein Produkt die Menschen faszinieren. Oder erinnert sich noch jemand gern an das Gameplay von E.T. auf dem VCS? 😉 Wohl eher nicht…

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