Last Window: The Secret of Cape West DS Test


Nach der ganzen Vorgeschichte bin ich natürlich froh, endlich Last Window anzuspielen. Getestet wird die PEGI-Version (ab 12, USK ab 6), die lediglich bei der Anleitung einsprachig (englisch) ist. Hat man sein System auf deutsch eingestellt, erhält man auch alle Texte in deutsch (neben spanisch, französisch, italienisch und englisch). Unterstützt wird übrigens auch das Rumble Pak – allerdings nur für DS und DS Lite.

Lange mussten wir auf den Nachfolger warten und ehrlich gesagt hatte ich nach der CING-Pleite gar nicht mehr daran gedacht, dass der Titel doch noch seinen Weg zu uns finden könnte. Dank Nintendo dürfen wir also auch das zweite Abenteuer im „Interactive Novel“ Stil lesen und spielen.

Und so viel sei schon verraten: Wem Hotel Dusk gefallen hat, dem wird auch Last Window gefallen – wer Hotel Dusk jedoch nicht mochte, braucht gar nicht erst weiterlesen.

Einleitung

Film Noir. Ein Begriff eines Genres, der wunderbar beschreibt, was Last Window ist: Eine Geschichte, ganz im Stile US-amerikanischer Kriminalliteratur, mit all den bekannten Genrefacetten.

Wie schon bei Hotel Dusk hält man den DS beim Spielen wie ein Buch. Es gibt wieder die Option für Linkshänder und schon der Start läßt vermuten, dass hier nahtlos an den Vorgänger angeknüpft wird, was sich im Laufe der Zeit bestätigt.

Die Geschichte spielt im Dezember 1980, also genau ein Jahr nach den Ereignissen aus Hotel Dusk. Kyle Hyde hat gerade seinen Job verloren und erfährt, dass er bis Ende des Monats aus seiner Wohnung ausziehen muss.

Zu Beginn der Geschichte, fühlt man sich wirklich wie in das alte Hotel Dusk zurückversetzt: Die Steuerung ist gleich (aber im Detail verbessert). Man steuert mit dem Stylus über einen Grundriss des Hauses und sieht auf dem zweiten Bildschirm die dreidimensionale Ansicht. Die Grafik ist dabei sehr ähnlich, aber weist etwas mehr Details auf (gut zu erkennen an den Schatten des Ventilators).

In den ersten Sequenzen lernt Kyle die Bewohner des Hauses kennen. Noch hat er keinen Plan, was auf ihn zukommt, aber das ändert sich recht schnell. Ein mysteriöser Brief taucht auf, ein unbekannter Anrufer will ihn sprechen und irgendwie scheint es eine Verbidung zu seinem verstorbenen Vater zu geben.

Zu viel will ich allerdings nicht verraten, kommen wir lieber zum Spiel an sich.

Evolution statt Revolution

Was CING schon in Hotel Dusk angedeutet hat, funktioniert in Last Window deutlich besser: Storytelling auf höchstem Niveau! Man muss wieder viel, viel lesen, was allerdings den großen Vorteil hat, viele Facetten der Charaktere im Haus kennenzulernen und Dialoge zu schaffen, die mehr Inhalt bieten, als so manch anderes Adventure. Wer nicht gern liest, sollte sich darüber im klaren sein, dass Lesen den Großteil des Spiels ausmacht!

Es gibt durchaus Parallelen zu den Personen aus Hotel Dusk, aber in Last Window wirken die Bewohner glaubwürdiger. Kyle ist wie eh und je ein murrischer Eigenbrödler (Kyle Hyde: (to) hide = sich verstecken oder verbergen), der allerdings seine Polizeiinstinkte immer noch nicht verloren hat. Im Gegenteil: Seine Fragerei wirkt aufdringlich und teilweise auch unhöflich. Nicht selten ertappt man sich dabei inne zu halten und sich zu fragen, ob man genauso direkt oder harsch reagieren würde.

Kyle wäre aber kein Film Noir „Held/Antiheld“, wenn er den netten Nachbar von nebenan spielen würde. Er vermutet nicht umsonst Geheimnisse hinter den Aussagen der Bewohner des Hauses und zudem gibt es ja allerlei mysteriöse Dinge, die geschehen und die es auf den Grund zu gehen gilt.

Interessant ist dabei, dass Last Window deutlich schneller in Fahrt kommt, als noch Hotel Dusk. Die Kapitel sind nun in Tage unterteilt und das verleiht der Geschichte mehr Glaubwürdigkeit und bietet Platz für interessante Wendungen. Mimik, Ausdruck und die Reaktionen werden wie schon in Hotel Dusk wunderbar dargestellt und lassen einen nicht mehr los.

Genial ist die Funktion, das Spiel als Buch zu lesen. Man kann sich durch die einzelnen Kapitel des Spiels in Buchform blättern und die Geschichte noch einmal aus einer anderen Perspektive durchlesen. Eine geniale Idee deshalb, da sich der Inhalt auch an die Fortschritte des Spielers anpasst! Die Entwickler haben sich dabei sehr viel Mühe gegeben, die Figuren nicht zu stark zu überzeichnen. Dadurch wirkt Last Window atmosphärischer und lesenswerter, als noch Hotel Dusk, das zudem erst recht spät Tempo in die Story bringen konnte.

Last Window eignet sich damit hervorragend für Leute, die noch den ersten Teil spielen wollen, weil der Übergang sehr einfach ist. Es wird allerdings nicht zwingend vorausgesetzt, Hotel Dusk gespielt zu haben – aber viele Details kommen erst zum Vorschein, wenn man den Vorgänger kennt.

Die Rätsel und die Story

Ist Last Window nun ein Adventure? Ich würde sagen, jein. Es beinhaltet

sicherlich viele Elemente eines klassischen Adventures. Man kann ein Inventar anlegen, Gegenstände kombinieren oder Dinge untersuchen, aber all das geschieht eher rudimentär. Insgesamt ist Last Window doch eher ein „Interactive Novel“ als ein Adventure. Es spielt sich komplett linear – eben wie ein Buch. Es geht weniger darum, zahllose Gegenstände zu finden, sondern um die Beziehungen zu den Mitbewohnern des Hauses zu ergründen. Und selbstverständlich geht es natürlich auch um die Rätsel.

Die Rätsel nutzen wie schon der Vorgänger die Fähigkeiten des DS aus und lockern das Geschehen auf. Wer Last Window jedoch auf seine Rätsel reduziert, wird enttäuscht sein. Die Rätsel können insgesamt nicht mit Professor Layton mithalten und die Adventure-Einlagen sind wesentlich einfacher als dies in klassischen Adventures wie Tunguska der Fall ist. Der Vergleich zu Layton ist schwierig, weil Layton den Fokus komplett auf Rätselspaß legt, storytechnisch aber wesentlich belangloser ist.

Last Window will weder Rätselspiel noch reines Adventure sein. Es vermischt verschiedene Genres und hält diese mit einer faszinierenden Story zusammen. Der Kern des Spiels sind seine Charaktere, die Geschichten und Geheimnisse hinter diesen und sie müssen durch die Logik des Spielers entlarvt werden. Anspruchsvolle Rätsel sind daher selten anzutreffen, wobei diverse Lösungen einmalig sind (und wohl bleiben, mehr verate ich nicht 😉 ).

Das Spiel kann auch abrupt enden, das war schon beim Vorgänger der Fall. Wer schlampig sucht, die falschen Schlüsse zieht oder in den „Kreuzverhören“ die falschen Fragen stellt, kann das Rätsel um Cape West nicht lösen. Glücklicherweise sind die Rücksetzpunkte besser gewählt, als noch bei Hotel Dusk und man kann zudem jederzeit einen von drei Speicherplätzen wählen.

Die Technik

Grafisch bleibt Last Window einmalig. Am besten schaut man sich den Stil direkt auf der Nintendo-Webseite an. Das sogenannte Rotoskopie-Verfahren kennt man ja schon aus dem A-ha Musikvideo Take on Me. Es macht die Grafiken dynamischer und läßt so einen eigenen Stil entstehen, der seinen eigenen Charme besitzt.

Leider verzichtete CING wieder größtenteils auf Fullmotion Videos bzw. animierten Grafiken während des Spiels. Das TV-Bild auf den Last Window Fernsehern wird z.B. statisch präsentiert und es gibt keine Sprachausgabe. Das ist schade, denn dadurch geht etwas Atmosphäre verloren, die durch die tollen Zeichnungen entstehen.

Musikalisch stehen eine Vielzahl neuer Stücke wie auch zahlreicher

Remixe (und alte Songs) aus Hotel Dusk zur Verfügung. Die Auswahl orientiert sich an typische Jazz-Variationen, ist aber manchmal etwas zu synthetisch. Trotzdem klingen die Stücke besser, als noch bei Hotel Dusk und das „Hauptstück“ ‚Promise‘ ist einfach wunderbar.

Bei der Steuerung wurden nur Kleinigkeiten verbessert, man kann z.B. direkt das Telefon anwählen, wenn man den Raum betritt. Ansonsten ist das meiste so geblieben, wie es war. Die Gesprächsdynamik ist aber etwas erweitert worden, was die vielen Texte etwas auflockert.

Das Fazit

Kyles Geschichte spielt sich wie ein gutes Buch: Man kommt nur schwer wieder weg, die Rätsel lockern das Geschehen auf, die Charaktere wirken überzeugender als noch in Hotel Dusk und die Story ist von Anfang an spannend inszeniert, auch wenn es kein Thriller im Stile von Heavy Rain ist. Und man sollte der Story auch nicht mit dem Anspruch höchster literarischer Vollendung entgegenkomemn. Aber das Spiel besitzt so viel mehr Tiefgang und interessante Wendungen, als das bei dem Großteil der gebotenen Adventures auf dem DS der Fall ist.

Man kann durchaus von einem Videospiel-Kunstwerk sprechen, so einzigartig ist die spannend erzählte Geschichte. Und so können wir Teil haben an einem außergewöhnlichem Spiel, dass in dieser Form viel zu selten anzutreffen ist und einen berührt. Vergleichen kann man Last Window nicht: Weil sich Last Window nun einmal nicht vergleichen läßt – und wenn, dann nur mit seinem Vorgänger, Hotel Dusk, und das sticht Last Window in jedem Punkt aus.

Ich kann einfach nur eine klare Kaufempfehlung aussprechen. Solche Softwareperlen für anspruchsvolle Spieler findet man nur sehr selten und vielleicht bietet sich ja mit der Marke doch noch die Chance, dass wir Kyle Hyde wiedersehen werden. Wer Hotel Dusk mochte, wird Last Window lieben.

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PRO | KONTRA:

+ Toll inszenierte Story!
+ Anspruchsvolle Geschichte
+ Grafikstil einmalig
+ Tiefgründige Charaktere
+ Atmosphärisch dicht erzählt
+ Viele Anspielungen und Verweise auf Hotel Dusk
+ Bewegende Geschichte
+ Einmalige Rätsel, die es so nur auf dem DS geben kann
+ mit 12-15 Stunden Spielzeit ordentlicher Umfang
+ Quasi alternativlos
+ interessante Dialoge
+ Nahtloser Übergang von Hotel Dusk
+ Steuerung recht einfach
+ Deutsche Übersetzung weitestgehend gelungen

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– Kann bei falscher Erwartungshaltung sehr langweilig wirken
– Musikalische Untermalung klingt synthetisch
– Manche Lösungswege uneindeutig
– Teilweise hackelige Auswahl von Gegenständen
– Niedriger Wiederspielwert

– Kaum spielerische Weiterentwicklung zu Hotel Dusk
– Inventar trostlos und umständlich
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Musik: 7/10
Grafik: 9/10
Gameplay: 7/10
Playfun (Gesamtwertung): 9/10

[1: sehr schlecht | 2: schlecht | 3: mies | 4: schwach | 5: mäßig | 6: durchschnittlich | 7: gut | 8: sehr gut | 9: super | 10: Meilenstein]

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Entwickler: CING
Herausgeber: Nintendo
Erscheinungsdatum: 14. Januar 2010 (Japan) | 17. September 2010 (Europa)
Plattform: Nintendo DS (exklusiv)
Genre: Interactive Novel (Adventure + Rätselspiel)
Spieler: 1
Version: (UK)-PAL
Sprache: Englisch | Deutsch | Französisch | Spanisch | Italienisch
USK: ab 6 Jahren (PEGI ab 12)

Preis: ~38 Euro

  • Für Fans von Hotel Dusk und anspruchsvollen Spielen; Spieler, die gerne lesen und Rätsel lösen.
  • Weniger geeignet für Actionliebhaber, Rätselenthusiasten oder Leseverweigerer 😉 .

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Weiterführende Links:

Update 2. April 2012: GameOne geht in ihrem Plauschangriff-Podcast auf „japanische Adventures“ ein, dabei wird auch Last Window genannt. Leider kommt das Spiel dort viel zu kurz. 😦

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