Über die Einseitigkeit in heutigen 3D-Shootern habe ich mich ja mal vor einem Jahr ausgelassen. Generell spiele ich das Genre immer noch gern (vor allen Dingen die Oldschool-Sachen, die nehmen sich wenigstens nicht so ernst 😉 ) und es gibt spannende Entwicklungen und Konzepte wie z.B. Borderlands oder EVE Online / Dust 514. Wenn es um die Entwicklung des Genres geht, lande ich immer wieder in Randgenres, das war ja auch schon so bei Deus Ex: Human Revolution. Aber das sind persönliche Vorlieben und diese sollen keinen repräsentativen Charakter haben. 😉 Was mich nun stutzig gemacht hat, ist folgende Aussage von Ex-RARE-Mitarbeiter Stephen Ellis:
„Pretty much every FPS loses money. […] Nobody really buys any FPSes unless they’re called Call Of Duty,“ he continues.“ – [Quelle EDGE]
Stimmt das so? Schauen wir uns mal die Zahlen genauer an…
Es stimmt schon, dass die Call of Duty Serie unglaublich erfolgreich ist. Call of Duty: Modern Warfare 3 ist insgesamt an der Spitze der Charts mit knapp 27 Millionen verkaufen Einheiten, plattformübergreifend. Die Vorgänger waren nicht minder erfolgreich. Battlefield 3 hat sich gut verkauft, wenn auch nicht ganz so erfolgreich (ca. 13 Millionen).
Interessant ist, dass die Verkaufszahlen von MW3 denen von Black Ops hinterherhinken, verglichen mit dem gleichen Veröffentlichungszeitraum. Dies ist laut Analysten darauf zurückzuführen, dass vor allen Dingen „Casual Gamer“ weniger spielen und mehr Multimedia-Streaming-Dienste nutzen würden (was auch immer damit gemeinst sei). Meiner Meinung nach eine Farce, bei solchen Zahlen noch irgendetwas zu interpretieren, warum sich der x-te Shooter so oder so verkauft.
Kommen wir mal auf Stephen Ellis zurück, welcher ja für den Multiplayer-Modus vom Klassiker GoldenEye entwickelt hat und danach hauptverantwortlich für die TimeSplitters-Serie war. Mittlerweile wurde seine mitbegründete Firma Free Radical Design von CryTek geschluckt und nennt sich nun CryTek UK. Das lag vielleicht auch daran, dass der damalige Shooter Haze nicht die Erwartungen erfüllen konnte. Aber das ist eine andere, sehr interessante Geschichte. 😉
Für TimeSplitters 4 konnte er damals keinen Publisher finden. Und kein Publisher möchte was anderes mehr machen, als 0815-Standard-Shooter:
„I spent the whole of 2008 going round talking to publishers trying to sign up Timesplitters 4,“ he tells us. „There just isn’t the interest there in doing anything that tries to step away from the rules of the genre – no one wants to do something that’s quirky and different, because it’s too much of a risk. And a large part of that is the cost of doing it.“
Das ist in der Tat ein Problem. Zumal CryTek selbst diese Probleme gespürt hat, siehe CrySis 2:
„[…] wenn Crysis 2 an die Verkaufszahlen von Call of Duty: Black Ops herankommt, dann dürfte es bald noch mehr Crysis geben.“
Wie wir wissen, hat sich CrySis 2 nicht annähernd so gut verkauft (ca. 2,5 Millionen, PC Games spricht von 3 Millionen, wobei hier keine Endabnehmerzahlen genannt werden), wie erwartet. Damit ist man meilenweit von Black Ops entfernt, welches plattformübergreifend auf knapp 27 Millionen gekommen ist. Ellis hat dem Shooter-Markt mitterweile der Rücken zugekehrt und konzentriert sich nun auf den mobile Gaming-Bereich. Damit ist ein mögliches TimeSplitters 4 auch erst einmal vom Tisch.
Bitter wird es, wenn man mal auf neuere Shooter wie z.B. Syndicate schaut. Der Titel wurde von EA vertrieben, entwickelt von Starbreeze Studios. Die haben eigentlich gar nicht so viel „versucht“, sondern einen geraden Shooter entwickelt, auf dem allerdings kein Call of Duty steht. Das Ergebnis: nur 130k verkaufte Einheiten auf PS360. Nun wird argumentiert, dies läge an den schwachen Retail-Verkäufen der mehr oder weniger insolventen GAME-Group – was ich dann doch eher als faule Ausrede abstempel. Nach dem Shadowrun-Debakel (X360, gerade einmal 325k verkaufte Einheiten, was dann das Ende von FASA Studios besigelte) hätte man doch auf was daraus lernen können. Syndicate unterstreicht die Tatsache, alles am Mainstream ausrichten zu müssen, damit es sich verkauft – was hier definitiv fehlgeschlagen ist.
Mich hat bei dieser Geschichte mehr gestört, dass man aus einer solchen Lizenz nichts anderes herausbringt, als den nächsten 3D-Shooter, der sich nach landläufiger Meinung besser verkaufen würde, als ein Nachfolger im Retro-Look oder in ähnlich „unpopulären“ Genres. Die Wertungen fielen ja nicht einmal schlecht aus. Für mich ist klar: das Genre stößt an seine Grenzen und man kann den Spielern nicht mehr alles zum Fraß vorwerfen, nur weil es ein neuer Shooter ist.
Als EA 2010 versuchte, Medal of Honor als Reboot in Call of Duty Regionen schießen zu lassen, kam man auf grob 5 Millionen verkauften Einheiten auf PS360. Diese Zahlen übertraf man allein schon auf der PS2 mit den Vorgängern Medal of Honor: Frontline und Medal of Honor: Rising Sun!
Die Shooter-Titel von 2011 machen deutlich, dass wirklich nur Call of Duty in die höchsten Verkaufsregionen gelangt und der Rest vor sich hindümpelt. Entweder kein Call of Duty… Oder zu viel Veränderung!
- Killzone 3 schaffte als PS3 exklusiver Titel ca. 2,2 Mio. 500k weniger, als der Vorgänger. Und das, obwohl die PS3-Basis seit dem gestiegen ist.
- Bulletstorm kam insgesamt auf 1,4 Mio. Es konnte keinerlei Profit erzielt werden. Schade, denn dieser Shooter war irgendwie erfrischend im drögen Shooter-Einheitsbrei.
- Resistance 3 kam auf 1,1 Mio, der Vorgänger noch auf 2,3. Ein klarer Flop, auch wenn Insomniac das nicht so schlimm sieht.
- id’s ambitionierter Shooter Rage (7 Jahre in Entwicklung) schaffte es auf 2,7 Mio, trotzdem waren die Entwickler von den PC-VKZ enttäuscht.
- F.E.A.R. 3 schaffte nicht einmal die Million und endete bei 640k (immerhin noch 5x mehr als Syndicate), 240k unter dem Vorgänger.
- Das Remake des N64-Meilensteins GoldenEye 007: Reloaded schaffte enttäuschende 850k auf PS360, die Wii-Version kam davor immerhin noch auf 1,6 Mio.
- Homefront erreichte 2,2 Mio, was wohl in den Erwartungen lag, aber wohl nicht ganz das Ziel war.
- Brink 1,6 Mio, andere Quellen sprechen von 2,5 Mio. Hat anscheinend Gewinn abgeworfen, auch wenn bei den Entwicklern nicht so viel ankam.
- Der zweite Teil der Operation Flashpoint Neuauflage knackte nicht einmal die 500k-Marke, Vorgänger Dragon Rising kam noch auf 1,7 Mio.
- Conduit 2 auf der Wii floppte böse (80k), der Vorgänger kam immerhin noch auf 500k.
- Duke Nukem Forever konnte 1,5 Mio verbuchen, was natürlich ein Flop ist, wenn man die lange Entwicklungszeit bedenkt. Aber trotz vernichtender Kritiken hat es sich dann doch ordentlich, aber nicht gut verkauft.
- Böse gefloppt ist noch Bodycount (110k), das hatte allerdings seine Gründe.
Im 3rd-Person-Shooter-Bereich sieht es ähnlich aus:
- Gears of War 3 kommt auf stolze 5,4 Mio, allerdings auch 1 Mio weniger als Teil 2. Trotzdem wohl ein großer Erfolg.
- Dead Space 2 konnte ebenfalls seinen Vorgänger nicht toppen (2,5 Mio vs. 3,5 Mio). Sollte aber als Erfolg gewertet werden.
- Red Faction: Armageddon schaffte nur 530k, der Vorgänger kam noch auf 1,45 Mio.
- Bei Warhammer 40,000: Space Marine war bei 830k Schluss. Schwer zu sagen, ob das ausgereicht hat.
- Für Zipper Interactive und die SOCOM Serie war nach dem enttäuschenden SOCOM 4: U.S. Navy SEALs (690k) und dem schwach laufenden Unit 13 Ende März 2012 Ende-Gelände. Das lag wohl auch am enttäuschenden MAG, welches nur 1,23 Mio Kunden fand und lange Zeit von Sony beworben wurde.
Diese kurze Auflistung zeigt deutlich, dass niemand in den Call of Duty Regionen mitmischen kann. Weder EA, CryTek, noch THQ oder Sony. Und: Nachfolger, die schwächeln. Woran das liegen mag, darüber läßt sich nur schwer diskutieren. Meiner Meinung nach sollte man die Einseitigkeit in heutigen 3D-Shootern nicht unterschätzen. Die Spieler wollen unterhalten werden, aber irgendwann hat sich ein Genre auch erschöpft. Leider gibt es viele Entwickler und Ideen, die sich nicht verwirklichen lassen, weil die Angst vor einem Misserfolg so sehr gestiegen ist. Deshalb sollte man sich auch fragen, ob sich die Masse am Spielern wirklich 10 Shooter im Jahr kauft.
Klar ist: Es gibt einen großen Shooter-Markt. Dieser wird von Call of Duty im Prinzip nach belieben dominiert. So, wie z.B. Need for Speed den Rennspielmarkt domoniert, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Ich kann deshalb Ellis sehr gut verstehen, wenn diese Situation Frust erzeugt. Aber die enttäuschenden Verkaufszaheln von Syndicate lassen vielleicht mal den Schluss zu, dass die Spieler mittlerweile mehr sehen wollen, als nur wieder irgendein belanglosen Shooter.
PS: Man möge mir die „einfache Recherche“ der VKZ via VGChartz.org verzeihen, denn an verlässliche National Purchase Diary-Zahlen zu kommen, ist nicht sehr einfach.
PPS: Und nun veröffentlichte Eurogamer auch eine Hintergrundgeschichte mit David Doak zum Untergang von Free Radical Desing.
Nun, was die Spieler „wollen“, ist schwierig zu sagen, aber es ist eben nicht so viel Platz neben CoD wie manche meinen. Einfach nur noch Shooter raushauen und Millionengewinnen einfahren, ist nicht mehr drin – zumindest, wenn man sich die letzten Jahre anschaut. Man spekuliert darauf, dass sich ein CoD auch mal schlechter verkauft und Millionenkäufe für andere Produkte freimacht – bislang geht diese Theorie nicht auf. Bin mal gespannt, ob sich die nächsten CoD-Titel auch wieder in unglaubliche Verkaufsregionen bringen lassen.
Wenn es tatsächlich so wäre, dass die Spieler inzwischen mehr wollen „als nur wieder irgendein belanglosen Shooter“, dann dürfte CoD aber auch keine derartigen Verkäufe mehr einfahren. Trauriger Weise ist dieses Franchise für mich aktuell das langweiligste und innovationsloseste im ganzen Genre und trotzdem verkauft es sich unfassbar gut (selbst mit leicht gesunkenen Zahlen). Eine unfaire Welt ist das.