Sonic X-treme und die Suche nach der 32-Bit-Fortsetzung


sxÜber Sonic X-treme wurde in letzter Zeit viel Spektakuläres berichtet (Final build of Sonic Xtreme found) und im Netz gibt es ganze Reihe an Videos zum Thema. Trotzdem muss ich mal meinen Senf dazugeben, weil mich das Thema immer wieder beschäftigt hat.

Nach den famosen 16-Bit Ablegern gelang es SEGA nicht, mit Sonic in die dritte Dimension  vorzudringen. Der Saturn wartete bis zu seinem Ende auf einen legitimen Nachfolger der 16-Bit-Flaggschiffe.

Zwar erschienen mit Sonic 3D Blast (November 1996) und Sonic R (Oktober 1997) 3D-Ableger, aber beide Titel waren Spin-Offs und für Fans eher enttäuschend.

Die Entwicklung von Sonic X-treme war im Prinzip ein großes Desaster, weil niemand bei SEGA so richtig wusste, wohin die Reise gehen sollte: Es gab weder ein richtiges Konzept noch eine ernsthafte Vision, wie Sonic aus SEGAs Sicht in 3D hätte aussehen soll. Das fing schon mit Sonic Mars an, ursprünglich entwickelt für das erfolglose 32X-Addon.

Denn was wollte SEGA eigentlich? Einen…

  • 2D-Plattformer auf keinen Fall, das wäre eine Bankrotterklärung gegenüber der Konkurrenz.
  • 2,5D-Plattformer wie z.B. der Saturn Starttitel Clockwork Knight? Fast schon wieder veraltet…
  • 3D-Plattformer wie Super Mario 64? Eigentlich ja, aber dafür reichte die Power des Saturns nicht aus

Trotzdem biss man sich an der letzten Idee fest. Mit fatalen Folgen:

Unfortunately, Yuji Naka got wind that they were using his prized engine, and threatened to leave sega unless they stopped using his work. Rather than lose Yuji Naka, SoA yanked the NiGHTS engine from the team, leaving them about a year into the project with absolutely nothing to show for it.

Die komplette Entwicklungsgeschichte ist mittlerweile richtig gut dokumentiert und ein tragisches Beispiel eines gescheiterten Projekts.

Es gab missglückte Präsentationen (falsche Builds, zu spätes Erscheinen bei wichtigen Entscheidungen), interne Streitereien (Yuji Naka), ein SEGA Management ohne Plan, ernsthaft erkrankte Entwickler (Chris Coffin, Christian Senn), eine schwächelnde Saturn-Hardware, eine diffuse Entwicklungsbasis (man denke nur an die Portierung der Projekte auf verschiedene Plattofrmen und Engines, beispielhaft nVidia NV1) und einen gehörigen Erwartungsdruck der Fans vom nächsten „Über-Sonic“.

Sprich: Die ganze Sonic X-treme-Story ist Popcorn-Kino vom feinsten und ist im Prinzip so typisch wie tragisch für SEGA in der Zeit: Den Sprung in die 3D-Welt meisterte Nintendo mit potenter Hardware und Shigeru Miyamotos 3D-Meisterwerk Super Mario 64, welches zumindest in NTSC-Landen für ein belebtes Weihnachtsgeschäft sorgte.

SEGA konnte zu der Zeit wenig entgegenbringen und setzte nach dem Scheitern der Entwicklung für das ’96er Weihnachtsgeschäft auf NiGHTS into Dreams… Das war zwar ein sehr gutes Spiel, aber eben auch keine 16-Bit-Ikone wie Sonic, auf die viele Fans vergeblich zu warten schienen. Hier mal das E3 Video von 1996:

Sonic 3D Blast war dann der faule Kompromiss, einen isometrischen 16-Bit-Hüpfer auf SEGAs Saturn zu portieren, um zumindest mal einen Titel für das Weihnachtsgeschäft vorzuweisen. Die Presse konnte man damit nicht wirklich überzeugen.

Nun könnte man sagen: Ok, alles halb so wild, NiGHTS war ja klasse und mit der technischen Klasse eines Super Mario 64 konnte man natürlich nicht mithalten. Das Problem war aber weniger Nintendo, sondern die direkte 32-Bit-Konkurrenz aus dem Hause Sony: Die PlayStation.

Die Konkurrenz schläft nicht…

In Japan erschien der Saturn verfrüht schon Ende 1994 und im laufe des folgenden Jahres merkten die Spieler, dass Sonys PlayStation (PSX) eine ernstzunehmende Alternative zum Saturn darstellte: Günstiger („300„), technisch stärker (Vgl. Daytona USA vs. Ridge Racer), ein besserer Dev-Support dank klarerer Hardwarestruktur und bessere Dev-Tools (so zumindest die damaligen Aussagen von verschiedenen Entwicklern). Das bestätigt sich schnell in vielen Multiplattform-Titeln.

1996 wurden die SEGA-Fans etwas unruhig, denn Sony begann, den Markt für sich einzunehmen. Mit einem Sonic-Trumpf für das Weihnachtsgeschäft 1996 hätte man vor allen Dingen in den USA und Europa wieder aufholen können. Doch gerade Neukonkurrent Sony zeigte hier richtig Stärke und veröffentlichte in der zweiten Jahreshälfte folgende exklusiven 3D-Jump ’n Runs:

  • Jumping Flash! 2: jf2
    Der Nachfolger des technisch beeindruckenden Vorgängers war wieder in „echtem 3D“ und ein solider Nachfolger, PSX-exklusiv. Hier demonstrierte Sony auf erfrischende Art und Weise eine 3D-Welt mit großer Bewegungsfreiheit. Zuvor war der Erstling nur eine Techdemo, wurde dann sogar ein Jahr vor (!) Super Mario 64 Realität.
    Entwickler Exact Ltd. bekam nach Veröffentlichung von JF!2 als 1st-Party mit dem Namen SCE Japan Studio „eingemeindet“.
  • Crash Bandicoot:
    Die Geburt des PSX-Maskottchens. Die damals noch unbekannten Entwickler von Naughty Dog zauberten einen famosen 3D-Hüpfer. Dieser generierte zwar keine SM64-freien Welten, aber bot genug Freiräume, um als 3D-Jump ’n Run durchzugehen.
    Sonys Antwort auf Super Mario 64 war ein voller Erfolg und es entstanden zwei weitere Fortsetzungen, die den exzellenten Ruf Naughty Dogs nur noch weiter unterstrichen.
  • Pandemonium:
    Auch wenn es kein echtes 3D-Jump ’n Run ist (eher 2,5D-Gameplay), so beeindruckt Crystal Dynamics Vorzeige-Platformer trotzdem durch eine tolle Technik und ein gutes Gameplay. Dazu war der Titel bis fast ein Jahr (PAL) nach Erscheinen PSX-exklusiv.
    Die Saturn-Version konnte zwar ebenfalls überzeugen, aber zu dem Zeitpunkt erschien auf der PSX sogar schon der Nachfolger. Exklusiv.

Zwar bot SEGA mit Bug! (Ende 1995) und Bug Too! (Ende 1996/Anfang 1997) 2,5D-Hüpfer an. Aber es fehlte neben NiGHTs ein weiterer großer Titel. Das hätte Sonic X-treme werden sollen, wurde es aber nicht.

Und Sony machte sich weiter breit: Es folgten 1997 PSX-exklusiv Pandemonium 2 und Crash Bandicoot 2.

Der ordentliche Super Mario 64 Clone Croc: Legend of the Gobbos (Ende 1997) erschien auch erst für die PSX und erschien einen Monat später auf dem Saturn mit etwas schwächer Technik. Ergo beherrschte der Saturn ja auch aufwändige 3D-Welten, man denke nur an Burning Rangers.

Das Problem: Sonic war deswegen extrem schnell, weil das Mega Drive dem SNES in Sachen Scolling überlegen war und so spielte SEGA die Stärken der Konsole perfekt aus. Auf dem Saturn hingegen war eine schnelle 3D-Technik eines der großen Probleme (Weitsicht z.B.).

Das Ende…

1997 zog man daraufhin die Reißleine und entschloss sich, Sonic X-treme einzustellen:

Sonic Xtreme was unceremoniously put down in 1997, signaling the end of the one real chance Sonic had to join the 32-bit generation. – [Quelle]

Das Sonic Team um Yūji Naka begann sogar nach der Entwicklung von NiGHTS mit der Neuentwicklung eines Sonics für den Saturn (quasi die Fortsetzung nach 4 1/2 gescheiterten Projekten: Mega Drive, 32X, Saturn einmal mit und einmal ohne NiGHTS-Engine und zur letzten Hälfte kommen wir noch). Man entschied sich jedoch dafür, die Entwicklung auf die kommende Plattform zu verschieben:

The reason why there wasn’t a Sonic game on Saturn was really because we were concentrating on NiGHTS. We were also working on Sonic Adventure – that was originally intended to be out on Saturn, but because Sega as a company was bringing out a new piece of hardware – the Dreamcast – we resorted to switching it over to the Dreamcast, which was the newest hardware at the time. – [Quelle]

Teile des Naka-Versuches sind noch in der 3D-Oberwelt von Sonic Jam zu finden:

So hätte ein Sonic X-treme für den Saturn in etwa aussehen können. Naka selbst sagte zu Sonic X-treme:

I’m not really sure on the exact details of why it was cut short, but from looking at how it was going, it wasn’t looking very good from my perspective. So I felt relief when I heard it was cancelled.

Not really sure? Nun ja:

However, the engine’s creator and lead programmer of the original Mega Drive Sonic games, Yuji Naka, reportedly threatened to leave the company if it was used [for Sonic X-treme]. – [Quelle]

Für Sonic auf dem Saturn bedeutete das das Ende, denn Ende 1998 erschien die Dreamcast und dort erschien, zur Verzückung der Fans, ein wirklich guter 3D-Nachfolger: Sonic Adventure.

Fazit

Vielleicht war Sonic X-treme wirklich nicht marktreif, vielleicht eben auch ein zu ambitioniertes Projekt und ohne Unterstützung von Naka wurde es leider nichts, für den Saturn schon gar nicht.

Die Jahre 1994-1997 waren wegweisend für die gesamte Branche und natürlich auch für SEGA, die sich nie mehr vom Marktverlust des Saturns in den USA oder Europa erholen konnten.

Was bleibt, ist eine mittlerweile doch sehr gut dokumentierte Story zu Sonic X-treme und ich bin gespannt, ob es in Zukunft auch spielbares Material der Urfassung geben wird. Denn Träumen darf man weiterhin. 🙂

Anbei noch ein nettes Saturn-Video, welches die Fisheye-Engine eindrucksvoll aufzeigt:

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