Mich hat früher sehr oft die Frage beschäftigt, warum PC-Mags durch die Bank wenig Euphorie für Arcade- oder Konsolenspiele entwickelt haben. Ein schönes Beispiel ist hier ein Test zu NBA JAM T.E.: Was hat denn Michael Galuschka für einen Schrott-Test in der Play Time 12/95 fabriziert?
„Zunächst war ich als NBA-Live 95-Fan von Acclaims Hauruck-Basketball entsetzt.“
Was ist denn das überhaupt für ein Fazit-Start?! NBA JAM war jetzt kein unbekanntes Spiel auf dem Markt, da war(en) doch das Arcade-Vorbild/Arcade-Gameplay/die Heimversionen in aller Munde! Wie konnte man überhaupt vor dem Anzocken einen Vergleich mit NBA Live machen? Dazu:
Vor allem zu zweit macht das unkomplizierte, aber nicht einfach zu beherrschende Gerangel richtig Spaß. […] Spielt man alleine, halten einen zwar schon die schwächeren Computerteams ordentlich auf Trab, den vollendeten Spielspaß bringt‘s aber nur im Freundeskreis.
Und dafür lediglich ZWEI Prozentpunkte mehr Spielspaß??? Man merkt: Er konnte mit dem ganzen Spiel nichts anfangen und quälte sich durch den Test.
Ich finde das mal wieder ein so grandioses Beispiel für „Realismus am PC“ (z.B. durch Simulationen) vs. „Arcade-Umsetzungen/Konsolenspiele am PC“. Da wurde gerade mitte der 90er ein regelrechter „Abgrenzungskampf“ in den Mags ausgetragen, unbewusst/bewusst sei mal dahingestellt (bspw. hatte ich das auch in meinem Hi-Octane-Beitrag festgestellt, nur anders herum: Auf dem PC Lob ohne Ende, bei den Konsoleros lediglich Schulterzucken). Aber gerade bei den (elitären?) PC-Testern merkte man das sehr an: Alles, was „Arcade“ war oder von den Konsolen kam, hatte weder Tiefgang noch Substanz. Und wurde dementsprechend abgewertet.
Ja, viele dieser Spiele kamen deutlich später auf den PC (das kamen die PAL-Spiele allerdings auch!) und es gab immer wieder technische Unzulänglichkeiten (entweder durch die bescheidene DOS-Unterstützung oder die fehleranfällige Windows-95-Implementierung mit Treibereien), aber ich war gerade in der Zeit ’94 – ’99 auf Arcade- und PSX/SAT-Umsetzungen am PC angewiesen, weil ich keinen 32-Bitter hatte (Resident Evil, Tomb Raider, Daytona USA, The Need for Speed, Virtua Fighter, Sega Rally, und und und). Und die Technik wurde selten als ausschlaggebend für (deutlich) schlechtere Wertungen thematisiert, meist blieb es bei der Floskel „wenig Tiefgang, das geht am PC besser.“
Ich war teilweise schockiert, wie schlecht viele Spiele gerade in den PC-Mags wegkamen (einige Ausnahmen bestätigen eher die Regel), ganz besonders bei der PC-Player:
- Resident Evil – PC Player 6/97: 3/5 (aka „Durchschnitt“): „gar nicht übel.“
- Sega Rally – PC Player 3/98: 60% Multiplayer/67%: „Das in der letzten Ausgabe getestete Ultimate Race Pro (Anm.: 79% Multiplayer/80%) macht mir beispielsweise mehr Spaß.“ Ja KLAR! Gerade Ultim@te Race Pro, was noch nicht einmal ein Rally-Spiel ist! Die PC Player 3/97 vergab 4/5 bzw. 3/5 im Multiplayer-Modus, gemäkelt wurde natürlich bei den wenigen Strecken und Fahrzeugen…
- Daytona USA Deluxe Player 12/97: 3/5: Spieltiefe: „Schlecht“, die Power Play 12/97 vergibt 62 bzw. 65% und macht deutlich: „typische Konsolenumsetzung“, „typischen Spiel für zwischendurch“, man solle doch lieber auf Test Drive IV warten… Ich könnte jetzt auch sagen: Typischer Power-Play-PC-Test! Immerhin höher, als was die erste Fassung (Non-Deluxe) in der Power Play 11/96, die bekam lediglich 52%, zu wenig „Spieltiefe“…
- wipEout PC Joker 1/96: 46%: „tonangebende Rennware wie „Hioctane“ oder „Slipstream 5000″… Öhm… OK? PC Player 1/96 geht immerhin auf 63% hoch, die Power Play 1/96 entlockt immerhin noch ein „gut“ mit 73%. Zur Diskrepanz zwischen Hi-Octane und wipEout hatte ich ja schon einen eigenen Artikel geschrieben.
- wipEout 2097 PC Player 8/97: 3/5: „Die aufzusammelnden Extras sind zwar ganz nett, zu pompöseren Adjektiven regen sie mich jedoch nicht an.“ Soso…
- Virtua Cop PC Player 12/96: 3/5: „Simpel.“ (wahrscheinlich die Standard-Wertung für Konsole-zu-PC-Umsetzungen)
- Final Fantasy VII PC Games 8/98: 75%: „Trotz des vorhandenen Tiefgangs und des reizvollen Gameplays sollten Liebhaber von Might & Magic 6 oder Fallout Vorsicht walten lassen. „ Warum sollte ich das Spiel genau mit Fallout vergleichen???
- „Dreiertest“ PC Joke
säh Joker 4/96: Comix Zone 52%, Ecco The Dolphin 69%, Tomcat Alley 70%: „Kein Einstand nach Maß.“ Aha. Und warum hat dann auch noch Tomcat Alley am besten abgeschnitten? Power Play 4/96 hat übrigens genau das mit 32% abgewatscht, Ecco bekam 67%. - Sonic CD PC Joker 10/96: 72%: „Kein Einstand nach Maß.“ <– Den Satz kenne ich doch schon woher?!
- Comix Zone PC Player 3/96: 61%: „Der ernsthafte Prügelspieler bekommt bei seriösen Genre-Vertretern wie „FX Fighter“ anspruchsvollere Kampftechniken und längere Motivation geboten.“ Lieber Heinrich Lehnhardt: BITTE WAS? FX Fighter? Really? Mit Comix Zone vergleichen? Seriös und anspruchsvoll? Gerade FX Fighter wurde ja am PC im 70er-Mittelfeld gepriesen. Warum eigentlich? Weil es PC-exklusiv war? Da sprachen dann alle wieder davon, dass es endlich auch ein gutes PC-Prügelspiel gäbe. Soso, also hat man Genre dann doch gern gespielt?
- Panzer Dragoon Power Play 3/97: 69%: „Den Tatbestand der Nötigung sehe ich durch das antiquierte Continue-System erfüllt. Zwischenspeichern verboten — wollt Ihr das Spiel lösen, müßt Ihr das in einer einzigen, zusammenhängenden Sitzung bewerkstelligen. Tja. so kaschiert man, daß die sieben Level nicht sonderlich viel Substanz bieten.“ BÄM! IN UR FACE!
- TBC
Seltsam, dass dann Tests wie zu Bug! so dermaßen anders ausfallen: über 1 Jahr nach Konsolen-Release reicht es in der PC Joker noch für 85% und eine Hit-Auszeichnung, auch die PC Player 12/96 vergab 4/5 für den im Nachhinein doch eher durchschnittlichen Saturn-Hüpfer, der Ende ’96 schon nach einem der dicksten Pentiums rief („ab P75, besser P150“)! Oder Sonic R (70%, PC Joker 12/98 (!)), wo doch das Saturn-Original 1 Jahr zuvor eher mäßig bewertet wurde (60% bzw. 55%).
Immerhin wurde Virtua Fighter 2 trotz fast zwei Jahren Verzögerung noch gut bewertet (PC Player 11/97: 4/5 SP; 5/5 sogar im MP). Selbst Battle Arena Toshinden wurde nicht abgewatscht (4/5 und 71% bzw. 73%), vielleicht aus Mangel an 3D-Fighting-Konkurrenz?
Und dann gab es noch die Titel, wo man sich weitestgehend einig war, auf Konsole sowie auf PC. Z.B. Earthworm Jim, G-Police, Manx TT oder SEGA Touring Car Championship. Letzteres wurde gar von den Konsolen-Mags etwas zu sehr gefeiert, trotzdem fällt beim PC-Test auf: Das Fahrverhalten sei nicht immer realistisch, für Simulations-Fans sei es zu simpel. Kennen wir. Was wirklich interessant gewesen wäre, wäre der 8-Spieler-Netzwerkmodus. Doch dazu kein Wort. Den 3Dfx-Patch gab es irgendwann in Version 1.02, ob es jemanden gibt, der das jemals gesehen hat?
Woher kommt also diese Diskrepanz? Es scheint ja durchaus realistische Einschätzungen gegeben zu haben, inwieweit ein „Konsolen-Spiel“ auch am PC funktionieren kann. Und technische Defizite spielten natürlich ein Rolle, dafür sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass oft nur die PC-Portierungen SVGA oder einen Netzwerkmodus unterstützten. Trotzdem
Ich habe in beiden Bereichen immer sehr gern gelesen, d.h. reine PC-Mags (seit ’94 eigener PC), aber auch Konsolen-Zeitschriften (ab ’97 hatte ich dann mein N64, das sollte eigentlich viel früher kommen). Und natürlich hatten die Mags auch immer eine entsprechende Zielgruppe, die sie bedient haben bzw. bedienen mussten. Das merkte man schon allein den Testern an, entschuldigt aber nicht die teilweise schlampigen und uninteressiert geschriebenen Testergebnisse.
Ja, gerade SEGA hat sich mit seinen Windows-95-Umsetzungen wenig Freunde gemacht (ich kann davon ein Lied singen!), aber die Spiele wurden teilweise auf ihre Eigenschaften wie Strecken, Kämpfer und Fahrzeuge heruntergebrochen und daran mit Simulationen oder vergleichbaren anderen Spielen getestet – ohne Bezug zum Spielgefühl, was oft einfach „gleichwertig“ eingeschätzt wurde (bspw. nach folgender Logik: „Beides Rennspiele, wird also auch das gleiche Fahrgefühl sein. Dafür gibt es beim PC-Exklusivspiel mehr Strecken, macht also mehr Spaß!“).
Anders herum gab es meist nie so eine Diskrepanz, d.h. PC-Kracher wie DooM oder Command & Conquer wurden in der Konsolen-Welt relativ euphorisch empfangen. Konsolen-Spiele jedoch galten meist als „zu simpel“ oder mit „zu wenig Inhalt“. Und das, obwohl vergleichbare und exklusive PC-Spiele gerne als „bessere Alternative“ empfohlen wurden (Bleifuss, FX Fighter, Hi-Octane, Ultim@te Race Pro,…). Man merkt einfach: Deutschland war nie ein wirkliches Arcade-Land, schon gar nicht mehr in den 90ern.
Das riecht jedenfalls mal nach einer tiefgründigeren Aufarbeitung der Unterschiede „PC-Spieler“ vs. „Konsolen-Junkie“. 😉
Absolut. Das hört man immer noch immer wieder.
Spannendes Thema! Ich habe erst um 2000 herum PC-Magazine gelesen und kann daher nicht so ganz mitreden, bin aber auch nicht überrascht. Mit den Jahren ist es zwar gefühlt besser geworden, aber es gibt ja bis heute nicht wenige Spieler, die dem PC oder eben den Konsolen so gar nichts abgewinnen können und quasi schon aus Prinzip alles scheiße finden, was portiert wird
Ich denke ein Problem der Magazine war die fehlende Vergleichbarkeit. „Comix Zone“ ist ein schönes Beispiel: Es gab am PC einfach zum Zeitpunkt des Releases kaum andere Prügelspiele. Also hat man es einfach mit einem verglichen, dass relativ zeitnah veröffentlicht wurde. Und da war „FX Fighter“ (Tolles Spiel übrigens!) noch das aktuellste.
Noch übler wurde das dann, wenn das Genre zwar grob ähnlich war, aber dann eben ein Arcaderacer nur mit einem Sim-Racer verglichen werden konnte, weil gerade kein anderer aktueller Arcaderacer veröffentlicht wurde. Hauptsache Rennspiel.
Ob es diese Vergleichbarkeit jetzt geben musste, darf natürlich bezweifelt werden, es machte es den Redaktionen vermutlich einfacher, einer etablierten Spielerbasis neue Spielkonzepte und Genretypen näher zu bringen, wenn man sie zu etwas bekanntem in Relation setzen konnte. Aber man hätte auch einfach jedes Spiel für sich betrachten und bewerten können.
Übrigens: Am PC habe ich auch lieber „Ultimate Race PRO“ gespielt als „Sega Rally“. Die Sega-PC-Umsetzungen damals waren leider… Du weißt es ja selbst. Bei aller Liebe: URP war im direkten Vergleich einfach von Umfang, Optik (3D-Beschleuniger-Support!) und in Sachen Multiplayer das bessere Spiel.
Ultimate Race Pro haben wir auch ihr im LAN gespielt, da war es besser, keine Frage. 🙂
Generell interessant die Berichterstattung damals. Siehe „Heft in die Hand“ bei The Pod: https://www.gamespodcast.de/category/heft-in-die-hand/ bzw https://www.gamespodcast.de/2019/03/21/heft-in-die-hand-die-asm-mit-christian-schmidt/