Manchmal darf man träumen. Gerade wenn es um nostalgische Geschichten wie die von SEGA geht. Das 32X ist z.B. SEGAs erster 32-Bit-Versuch im Heimbereich und bis heute ein Phänomen. Die Hintergrundgeschichte liest sich wie ein Krimi (SEGA Amerika vs. SEGA Japan), es gab bis heute zu wenig Spiele, die die Hardware ausreizen konnten (was Anlass für diesen Beitrag ist) und der Mega-Drive-Aufsatz bildete die Grundlage für SEGAs Saturn – d.h. dessen Geschichte, gerade aus Hardware-Sicht, ist ohne das 32X nicht vollständig beleuchtet und wirkt daher bis hin zum Dreamcast und SEGAs Aus aus dem Hardware-Markt.
2D – Was kann das 32X?
Es stellt sich nun die Frage: Wurde das 32X eigentlich richtig ausgenutzt und was wäre denn noch möglich gewesen? Z.B. bei 2D-Games, denn immerhin wurde ein Engpass des Mega Drive ausgemerzt: Die Farben. Das Mega Drive bot hier lediglich 61 bzw. 64 gleichzeitig (auch wenn findige Programmierer noch mehr aus der Hardware rausholen konnten, siehe auch Vectorman), das 32X konnte theoretisch 32.768, wobei 256 gleichzeitig realistischer waren.
Aber leider sind die Spiele, die es so gab, nicht ganz das, was man z.B. vom Neo*Geo gewohnt war und das war einem grundsätzlichem Problem der Hardware geschuldet: Das 32X nutzte weiterhin die Mega Drive CPU („32X bottleneck“) und spielte seine eigentlichen Vorteile erst im 3D-Bereich aus. Aber dazu später noch mehr.
Um die Frage zu beantworten: Ich würde mal sagen: Ja, insgesamt wäre sicherlich mehr im 2D-Bereich drin gewesen, aber selbst die beiden 2D-Flaggschiffe Kolibri und Knuckles Chaotix zeigen, dass die Hardware einfach nicht gut designt ist. DF Retro hat hier alle Spiele in einem netten Video zusammgefasst:
Es ist zwar alles merklich bunter und es gibt Sprites, die gezoomt werden, dazu gibt es 3D-Stages, die nur leider nicht wirklich überzeugen. Aber eigentlich handelt es sich lediglich um ein Mega-Drive-Spiel mit 32X-Sprites und HUD. Die 2D-Möglichkeiten werden fast nicht angetastet (es gibt mehr Farben) und das ist schade, denn Knuckles Chaotix ist einzige 1st-Party-Sonic-Spiel auf dem 32X.
Spiele wie Pitfall – The Mayan Adventure zeigen sogar recht deutlich die Probleme mit unterschiedlich gerenderten Hinter- und Vordergründen: Das Spiel schafft nur 20-30 FPS gegenüber 60 auf dem Mega Drive! Die Hintergründe sind gleich und laufen in 60 FPS, d.h. nur der Vordergrund kommt ins Stocken und lässt das Spiel somit sehr abgehakt wirken. DF Retro dazu:
Pitfall is a great example, why developers designing 2D games for the 32X opted to lean so heavily on the Mega Drive. The 32X just wasn’t all that well-suited to pushing around large complex play fields in 60 FPS.
John Linneman in DF Retro’s Failed Consoles: Sega 32X – We Play Every Game [Part One], 37:26min ff.
Will heißen: 2D-Mega-Drive-Spiele mit mehr Farben, Sprite-Zooming und Spriter-Rotationen (und ein besserer Sound) sind möglich, doch nur wenige Spiele zeigten das eindrucksvoll. Ein Beispiel dafür ist immerhin Kolibri, das Spiel der Ecco-the-Dolphin-Macher.
Hier gibt’s keine Probleme mit der Framerate, allerdings hat man die Probleme nur damit umschifft, indem man keine großen Levelkollisions-Abfragen eingebaut hat. Die Sprites bewegen sich über eine „Fläche“, was in diesem Spiel ganz gut funktioniert. In den meisten klassischen 2D-Spielen der Zeit führt dies jedoch oft zu den obigen Problemen.
Arg viel mehr war wohl wirklich nicht drin, was uns zum eigentlichen Einsatz des 32X bringt: 3D-Polygone!
32X – ein 3D-Powerhouse?
Es gibt zwar einige 3D-Spiele, aber nur wenige zeigen eindrucksvoll, was das 32X kann: zwei davon sind Virtua Fighter und Virtua Racing Deluxe. Aber auch hier gibt es Grenzen, selbst wenn das 32X noch ein wenig mehr Lebenszeit bekommen hätte. Ich bezweifle wirklich, dass hier wesentlich mehr drin ist, als das, was schon gezeigt wurde. 50k Polygone gelten so als Maximum, wenn es nicht ganz klinisch „unbehandelt“ aussehen soll:
Practical 3D polygon rendering performance, with one CPU dedicated to graphics:
Flat shading: Up to 80,000 polygons/sec
Quelle SEGA Retro
Gouraud shading: Up to 50,000 polygons/sec
Texture mapping: Up to 25,000 polygons/sec
Texture Gouraud shading: Up to 20,000 polygons/sec
Virtua Fighter wird auf ca. 20.000 Polygonen geschätzt, bei Virtua Racing Deluxe habe ich keine Zahlen gefunden, ich würde aufgrund der Weitsicht auf 30 – 40.000 gehen (aus dem Fenster gelehnt, wer mehr weiß, meldet sich! 🙂 ).
Viele vergleichen den spät erschienenen 32X-Port (Ende 1995) mit der SEGA-Saturn-Version von 1994 und meinen, das auf jeden Fall noch Luft nach oben gewesen wäre, wenn man beide CPUs für die Graphik hätte nutzen können:
Nebensächlich: Ob nun Virtua Fighter erst für 32X und dann zum Saturn portiert wurde, ist so oder so mühselig zu diskutieren (beide Systeme teilen sich ja teilweise eine ähnliche Hardware), da der Saturn-Port aus zeitlichen Gründen hingerotzt wurde, dennoch aber besser aussieht.
Doch nicht umsonst erschien die Remix-Version auch noch vor (!) der 32X-Version. Und die wäre auf dem 32X nicht möglich gewesen, weil es sich hierbei um texturierte Polygone handelte. Klar: vielleicht hätte man den Poly-Count des 32X noch etwas nach oben schieben können, dann aber auf Kosten der Framerate oder Ähnlichem.
Es wäre sicherlich eine „bessere“ 32X-VF-Version drin gewesen, aber eben auch keine, die annähernd an VF Remix rangekommen wäre, was den Spielraum für Verbesserungen doch deutlich einschränkt.
Das Problem bei dieser Geschichte ist der Bottleneck des 32X: Der Framebuffer wurde zwar für beide Videoprozessoren geteilt, war aber grundsätzlich recht klein (in das Thema muss ich mich noch mehr einlesen, mir ist im Kopf, dass man sich hier für Grafikmodi entscheiden musste daher immer Kompromisse eingegangen werden) und die CPU blieb eben die vom MD: Lediglich knapp 8 MHz. Und damit hätte die Hardware vielleicht mehr auf dem Papier erreichen können, aber in der Realität führte das zu Kompromisslösungen, die nicht zufriedenstellend waren, wie man bei vielen Spielen gesehen hat.
Fazit
Mal ehrlich: Die Zeit für lediglich „flatshaded“ Polygone war viel zu kurz. Das war mit Virtua Racing 1992/1993 noch drin, mit Star Fox, mit einigen 3DO/Jaguar-Spielen, aber 1994 und spätestens 1995 mit der PlayStation wirkten untexturierte Polygone einfach antiquiert und deutlich überholt. Und da konnte SEGA’s 32X mit der begrenzten Füllrate (18MPixel) und den vielleicht 20K texturierten Polygonen keinen mehr vor dem Ofen vorlocken, auch wenn man vielleicht mit ein paar Tricks noch hätte glänzen können. Gut, ein Daytona USA 32X, lediglich mit gouraud shading hätte ich mir dennoch gerne mal angeschaut, schlechter als die Version zum SEGA-Saturn-Start ging ja sowieso kaum mehr. 😉
Von daher würde ich gar nicht so viele Hoffnungen in ein „Ausreizen“ des 32X legen. Ja, ich hätte es auch toll gefunden, wenn man schon 1993 statt dem MD ein MD32X herausgebracht hätte, d.h. das MD wäre in diesem Zeitraum als „Sega Neptune“ erschienen.
Das wäre noch ein schöner Kompromiss bis zum Saturn gewesen: man hätte ähnlich verfahren können wie später beim Gameboy Color oder den heutigen PS4/PS4 Pro oder One/One X Spielen: Erst mit dem 32X werden die Vorzüge voll ausgenutzt (so wie man das ja bei den MDCD32X-Spielen tatsächlich gemacht hat!) und es kann auch native 32X-Spiele geben, wie wir sie kennen. Was dazu geführt hätte, dass man (wie anfangs ja gedacht) die Lebenszeit des MD sicherlich hätte erhöhen können.
Dann hätte aber der Saturn auch nicht 1994 kommen dürfen, sondern 1996 wäre vielleicht sinnvoller gewesen. Dann wiederum mit einer potenteren Hardware, die mehr Richtung nVidias NV1 gegangen wäre und wir wissen ja, dass damit ein paar Saturn-Spiele liefen.
So oder so ist das aber viel Spekulatius: 1988 vom SEGA Genesis zum Genesis II als günstigere Variante (1992), dann 1993 Neptune als Basis, dann ein Saturn mit NV1… All das ist Träumerei, denn es kam ja anders.
Aber es hat gezeigt, dass die 3D-Welt ab 1992/1993 unglaubliche Fortschritte pro Jahr machte und es eigentlich kaum möglich war, die richtigen Entscheidungen für die Hardware der Zukunft zu treffen. Zu divers war der Markt, zu viele parallele Entwicklungen liefen, zu viele Techniken mussten erst getestet und ausprobiert werden.
Selbst Sony mit der erfolgreichen PSX musste bis zur PS2 mit wabbernden, ungefilterten Texturen ohne Perspektivenkorrektur seine Welten aufbauen, wo die PCler schon jahrelang mit 3Dfx-Voodoo (2) in 60 FPS und 480p/600p/768p am Monitor zockten.
Der Mega Drive/32X-Nachfolger ist im Übrigen im 2D-Bereich richtig gut geworden (wie wir alle wissen) und dem Neo*Geo im Prinzip ebenbürtig. Im 3D-Bereich krankte die Konsole nur leider an der zu komplizierten Hardware, die sie vom 32X geerbt hatte. Aber das ist dann eine Geschichte für ein andermal. 😉
Update 24.11.2021:
Um mal eine Lanze zu brechen für die Modder-Szene: Mit DooM-32X-Resurrection wurde die DooM-Version auf dem 32X massiv erweitert, sogar mit Splitscreen-Coop:
Hallo Maik, danke dir sehr für deinen Kommentar.
Richtig, daher schreibe ich „teilweise eine ähnliche Hardware“. 😉 Ein 32X kann oder will ich mir jetzt auch nicht mehr leisten, die Preisentwicklung ist wirklich ganz übel… 😦
Den SEGA Saturn habe ich aus guten Gründen doppelt: Ich liebe das Teil einfach, habe aber hier im Blog noch nicht allzu viel dazu geschrieben. Das kann sich sicherlich ändern, da ich ihn auch gerade aus 2D-Ästhetik-Gründen (z.B. Benchmarking der Bildqualität via Scart-RGB) sehr gern nutze und meine Sammlung dazu in den letzten Jahren deutlich erweitert habe!
Nein, so kann man den Artikel nicht stehen lassen. Die Hardware des 32X ist nicht wirklich mit dem des Saturn ähnlich. Klar, beide haben die zwei SH2 Master&Slave-Prozessoren (aber mit abweichender Taktung), das war es auch schon.
Bei allem Anderen ist der Saturn (leider von westlichen Entwicklern wenig unterstützt) eine ganz andere (komplexe) Liga, vor allen mir seinen VDP 1&2 Prozessoren, die den Saturn ausmachen (aber nicht nur). Das 32X ist höchstens ein Abfallprodukt der Saturn-Entwicklung. Trotzdem freue ich mich, das es das 32X gab (welches damals oft als aufgebohrtes SNES angesehen wurde), denn VR Deluxe und VF sind wirklich super – aber auch Star Wars Arcade, Chaotix, Tempo, MK2, BT und NBA Jam TE etc. sind gut. Space Harrier und Afterburner sind etwas für Hardcore-Fans. Die 32X-Preise sind leider gerade am explodieren und viele Geräte funktionieren auch nicht mehr…
…ich feiere aber vor allem den Saturn. Und Sega generell, die zwar alles anders gemacht haben wie Nintendo und Sony – und damit nicht so erfolgreich waren – aber für echte Fans war es gut, dass sie es eben so gemacht haben. Darauf kann man als Sega-Fan stolz sein. Heute sieht alles ja eh gleich aus – und spielt sich auch ähnlich.. ..nein danke.
Vielen Dank für deinen tollen Kommentar!!! Das mit dem Mono-Sound ist mir nicht bekannt, werde ich mal recherchieren… Interessant!
Schön geschrieben!
Von mir noch folgendes, nach meinem Wissen! 🙂
Also die 32X Version war nicht nur steuerungstechnisch besser (mit der konnte man auf huderstel Sekunden Jagd gehen) als die Saturnversion, die auch extrem bugte bzw. wo man zu oft an andere Fahrzeuge anstieß und somit zurückgeworfen wurde, es waren optisch ansich vom Polygondurchsatz wenig Unterschiede erkennbar.
Die Saturn Version krankte auch noch an dem Mono CD Bug den viele Spiele hatten und nicht auf allen Revisionen der Konsolen auftraten, im Netz findet man kaum was dazu. Gerade das war sehr schade, da die wirklich super eingespielen CD Tracks das beste überhaupt waren von allen Virtua Racing Versionen, hier musste man Warner Interactive mal ein Lob ausprechen,diese aber leider im Game selber komplett nur in Mono abgespielt wurden.
Für ich war VR32 damals schon der Kaufgrund zum 32X und beschäftigte mich Monate. Die Backgrounds kamen vom Mega Drive der Rest aus dem 32X, Musik ähnlich, Samples aus Digikanal aus dem 32X, der Rest FM aus dem MD Soundchip. Die Saturn Version versuchte ich eine Weile zu spielen, aber durch diverse Probleme hatte man irgendwann keine Lust mehr.
Es wäre wirklich geil gewesen ein 60FPS Version zu bekommen, ich träume immer noch von einer Grafik wie auf dem Werbeplakat zum Spiel. Faktisch Millionengroßer Polygon Durchsatz, mit super Weitsicht, das mit 60FPS in UHD, nur mit Pong oder Gouraudshading,vielen Lichtquellen und gemalten Hintergründen, evtl. die Autos nur leicht texturiert, eigententlich ein ähnlicher Look wie Motortoon GP2 auf der PS1, welches das einzigste Game in der Hinsicht war.
Dazu alle Soundtracks aus allen Versionen anwählbar, wobei die Saturnversion die beste ist.
Ansonsten ist die PS2 Umsetztung von VR noch die beste gwesen nach der 32X Versionen, alles in 60FPS, ziemlich hoher Polygondurchsatz mit Gouraudshading, ganz gute zusätzliche Strecken und guter Steuerung, die war schon auf dem richtigen Weg.
Unabhängig vom Zwist zwischen den beiden Sega-HQs finde ich rückblickend, dass der Release des 32X eine totale Fehlentscheidung war. Dabei war die Idee, den teuren SVP-Chip in ein separates Modul auszulagern, das man nur einmal kaufen musste, statt künftig für jedes kommende Spiel damit 25% mehr zahlen zu müssen, ganz gut. Aber es war falsch, stattdessen eine „halbe“ neue Konsole zu machen, deren Spiele auch noch inkompatibel zur MD-Basis waren. Sega hätte vermutlich besser daran getan den SVP als Bridgemodul, dass zwischen MD und Spiel gesteckt wird, zu verkaufen. Wenn sie dafür noch ein paar coole Spiele gebracht hätten, vielleicht sogar noch ein paar (abgespeckte) Arcadekonversationen wie Virtua Fighter, Virtua Cop, etc., hätten sie die Zeit bis zum Saturn kostengünstiger und vielleicht erfolgreicher überbrücken können.
Das wäre echt auch eine sehr interessante Entwicklung gewesen, nur die Brücke zu verkaufen. Zwar mit weniger Leistung, aber du hast recht, die Module wären wieder günstiger gewesen… Aber aus Fehlern lernt man, musste SEGA dann auf die harte Tour lernen.
Das 32X hatte ich nie und leider gibt es ja auch keinen richtigen (spielerischen) Grund, um das Ding heute noch in die Sammlung aufzunehmen, aber spannend ist die Story natürlich trotzdem bis heute. Diese „Krimis“ in denen Abteilungen miteinander konkurrieren und man sich im Nachhinein immer wieder fragt, wie es wohl mit der anderen Lösung gelaufen wäre, gab es bei SEGA ja auch echt bis zum Schluss. Das macht die Firma zwar noch interessanter, aber das Fan-Dasein wird dadurch zuweilen doch auch etwas schmerzhafter ;D
SEGA-Fan sein war nach dem MD echt eine schwierige Angelegenheit. 🙂 Spaß hatte ich zwar mit jeder Konsole danach (32X hatte ich allerdings auch nicht), aber die Konkurrenz war meist besser: technisch, von der Auswahl der Spiele, beim Marketing… Aber trotzdem sind Saturn und Dreamcast bis heute Teil meiner liebsten Silberscheibenfresser.