Hi-Octane – verkannte Perle oder Trash?


Der Startbildschirm mit dem bekannten Bullfrog-Logo

Future-Racing anno 1995: Es ist sehr wahrscheinlich, das man da an wipEout denkt (November 1995, Mai 1996 auf dem Saturn). F-Zero diente dabei als großes Vorbild (mit einer Prise Mario Kart). Zu dieser Zeit gab es aber auch einen anderen Titel, der mir sehr viel Spaß gemacht hat: Bullfrogs Hi-Octane (Juli 1995 PC, Januar/Februar 1996 auf PSX und SAT Wiki|MB)!

Der Titel lief damals auf einem 486er DX2-66 in 320×240 und 256 Farben ordentlich, für den SVGA-Modus in 640×480 wurde schon ein Pentium 90 benötigt. Richtig flüssig (mit allen Details) lief es eigentlich erst ab einem P120, der die absolute High-End-Klasse darstellte.

Das Spiel lag im Herbst 1995 einigen Gateway 2000 Komplettrechnern bei (inkl. Terminal Velocity), um deren Leistungsfähigkeit zu demonstrieren und wurde mit Creatives 3D Blaster (VLB) Grafikkarten vermarktet.

Zeit für einen Rückblick und die Frage, wie sich der Titel heute noch schlägt!

Vorgeschichte

Entwickelt wurde das Spiel 1995 von Bullfrog auf Basis der eigenen Magic Carpet Engine. Gerüchte besagen, dass das Spiel als Freizeitprojekt der Programmierer begann. Die Entwicklungszeit betrug laut Producer Sean Cooper nur 8 Wochen:

The studio had begun to change, though – at the beginning of 1995, the company had been acquired by its tong-term publisher, Electronic Arts, and goals were becoming more business oriented. Cooper’s next project, the PlayStation, PC and Saturn racing game Hi-Octane, was developed in just eight weeks using the Magic Carpet engine, as a way to “fill a quarter that didn’t have enough revenue”. – Quelle

Die Vermutung liegt nahe, dass der neue Bullfrog-Besitzer Electronic Arts auf wipEout am Psygnosis-Stand auf der E³ 1995 (11. – 13. Mai) aufmerksam wurde (nicht spielbar, nur Beta-Videos und Target-Render) und die Idee zu Bullfrog getragen hat, die anscheinend gerade selbst an einem Rennspiel auf der Magic Carpet-Engine bastelten.

Tube (Demo), Februar 1995, Bullfrog
Tube (Demo), Februar 1995, Bullfrog

Eine andere Interpretation läßt zu, dass Hi-Octane einfach nur einen schnellen Umsatz generieren sollte (so, wie es Sean Cooper ja auch beschreibt) und man sich gar nicht so sehr von Marktkonkurrenten direkt beeinflussen lassen hat:

Im Frühjahr 1995 hat Bullfrog selbst eine Action-Demo namens Tube (Video, siehe Screenshot | Download | PC Player 4/95) herausgebracht, welches ganz dezent den Weg von Hi-Octane vorzeichnete, auch wenn es kein klassisches Racing-Game an sich war (mehr Tempest 2000 ähnlich).

Schließlich gab es mit Slipstream 5000 (DOS, 30. April 1995, Reviews) und Cyber Speedway (Saturn, 26. Mai 1995, Reviews) mehrere, eher mäßig erfolgreiche Ansätze im Sci-Fi-Racing-Genre 1995 und mit Tube hat man im Februar bzw. April 1995 selbst schon einen eigenen Versuch gestartet, im Juli 1995 erschien dann die Demo auf drei Disketten.

Die Wertungen im Vergleich zu wipEout

Hi-Octane ist rückblickend eine interessante (PC-)Geschichte und zeigte deutlich die wertungstechnischen Diskrepanzen zwischen PC- und Konsolenlager. Die PC Games hat dem Spiel in der Ausgabe 8/95 (als Vorversion) satte 89% gegeben. Power Play 8/95 ließ eine 81% springen. Im Gegensatz dazu bekam wipEout in der PC Games 1/96 nur magere 70%, die PC Player ging etwas tiefer (63%) und die PC Joker watschte die Psygnosis-Konkurrenz mit mageren 46% ab!

Die Konsolenpresse sah das deutlich anders („gehyped“ aufgrund des Zeitgeists Techno, dem coolen Artdesign und den gerenderten Ausschnitten aus dem Film Hackers) und positionierte wipEout deutlich vor Hi-Octane (Mega Fun und Video Games vergaben jeweils 68%).

Hi-Octane wurde auf den Konsolen deutlich schlechter bewertet als auf dem PC, wipEout in den meisten Fällen schlechter auf dem PC als auf den Konsolen. Es kam wohl auch darauf an, auf welcher Hardware man es gespielt hat (siehe auch die Usenet-Beiträge von anno dazumal). 😉

Und natürlich spielten auch die Veröffentlichungstermine eine Rolle: Auf dem PC erschien Hi-Octane schon im Sommer 1995, wipEout etwas später (und technisch etwas schwächer), beim Konsolen-Racer genau umgekehrt.

Hier eine Tabelle, die die Sache etwas übersichtlicher gestaltet:

Zeitschrift Hi-Octane (PC) wipEout (PC) Hi-Octane (PSX/SAT) wipEout (PSX/SAT)
PC Games 89% 70%
PC Player 77% 63%
PC Joker 77% 46%
PowerPlay 81% 73%
Video Games 68%/68% 78%/76%
Mega Fun 68%/69% 89%/82%
Man!ac 53%/54% 85%/84%
Durchschnitt 81% 63% 63%/64% 87%/81%

Bullfrog selbst war in Anbetracht der kurzen Entwicklungszeit nicht ganz so enthusiastisch wie die die PC-Mags:

The game was okay. It was never meant to be anything else. [Quelle]

Das Optinsmenü bietet viele Einstellungen. 486er mussten mit geringeren Details und VGA-Auflösung auskommen.
Das Optinsmenü bietet viele Einstellungen. 486er mussten mit geringeren Details und VGA-Auflösung auskommen.

Das Spiel damals

Hi-Octane ist ein eigenständiges Spiel und es spielt sich definitiv anders als wipEout: Im Gegensatz zum Psygnosis-Raser bietet es wesentlich breitere Strecken mit einer größeren Bewegungsfreiheit, wie man es von Magic Carpet gewohnt war. Die Waffen beschränken sich auf das Maschinengewehr und Raketen (mit Homing-Funktion), dazu gibt es noch einen Turbo.

Technisch fliegt man in einer Nebelsuppe, dazu hämmert ein ziemlich trashiger Techno-Sound. Interessant sind die unterschiedlichen Fahrzeuge nur äußerlich, dir Werte haben keinerlei Einfluss auf das eigentliche Verhalten auf der Strecke. Dafür gibt es aber mit Erweiterungen 9 unterschiedliche Strecken.

Weiterhin gibt es einen netten 2-Spieler-Modus, der aber eigentlich nur auf dem PC in SVGA richtig Spaß macht (und damals einen dicken Pentium voraussetzte) und einen Netzwerkmodus (mehr dazu unten).

Zu Beginn des Rennens sind die Waffensystem noch deaktiviert.

Auf der Strecke gibt es genug Action und es wird ein relativ flottes Geschwindigkeitsgefühl vermittelt (vor allen Dingen aus der Ego-Perspektive). Allerdings merkt man auch, dass die Magic Carpet Engine nicht so richtig für einen schnellen Racer paßt. Zu oft bleibt man irgendwo hängen, zu träge ist die Steuerung.

Trotzdem gefällt das Gleiten über die Strecken: das Freiheitsgefühl passt und die „Magic Carpet like“ Effekte sind stimmig. Die vielen Clipping-Fehler, Texturwüsten und das eigenwillige Design können es hingegen nicht mit wipEout aufnehmen.

Das Spiel versprüht eher einen eigenen Charme. Es ist nicht durchgestylt, es hat im wahrsten Sinne des Wortes Ecken und Kanten und es fehlt der Feinschliff.

Gut gefallen haben mir die verwinkelten Strecken mit unterschiedlichen Abkürzungen, die Statistiken am Ende des Rennens und die taktische Komponenten des Gameplays (Auftanken, Waffen aufrüsten,…).

Sind die Gegner angeschlagen, beginnen sie zu rauchen. Gut zu wissen! 🙂

Die Rennen sind spannend, weil die KI gut austeilt, das motiviert. Es geht weniger um die Fahrkünste als vielmehr um den geschickten Einsatz der Waffen. Es war damals eine gute Alternative zu wipEout, denn weder Cyber Speedway (Mai bzw. August 1995) noch CyberSpeed (Dezember 1995) konnten da mithalten.

Sehr viel später kamen noch das rasante Killer Loop (November 1999, ohne Waffen) und auf dem N64 natürlich Extreme-G (Dezember 1997, der Nachfolger im Dezember 1998) und F-Zero X (November 1998), die ich allesamt gern gespielt habe.

Wer also einen weniger „geschliffenen“ Future-Racer sucht, könnte mal einen Blick in Hi-Octane riskieren. Teuer ist es sowieso nicht.

Das Spiel heute

Was wird nun benötigt, um das Spiel heute noch zu zocken? Also entweder, man geht den leichten Weg und entscheidet sich für eine Konsolenvariante, sofern man die geeignete Hardware zu hause hat. Es gibt auch eine PSN-Version für PS3 und PSP, die Vita wird scheinbar nicht unterstützt. Folgendes Video zeigt wunderbar, welche Version besser geworden ist (im übrigen ist der „Battle of the Ports“ Channel von The Blue Dragon eine Empfehlung wert):

Um Hi-Octane heute noch auf dem PC zu spielen, wird DosBox benötigt. Eine digitale Distribution gibt es (noch) nicht, aber immerhin einen Community Request auf GOG. Am besten schaut ihr in diese Anleitung, um das Spiel starten zu können.

Unproblematisch ist es aber nicht, entweder es läuft zu schnell oder es ist zu lahm. Ich fahre derzeit gut (nur VGA, SVGA bekomme ich kaum hin) mit folgender Einstellung (dosbox.conf, Einstellung [CPU], da muss man echt ein wenig rumspielen):

core=simple
cycles=max
cycleup=500
cycledown=20

Da ich damals eine AWE32-Soundkarte hatte, war ich natürlich vom Sound begeistert. Es war eines, der wenigen Games mit nativer Soundbank-Unterstützung. Das geht bei DosBox nicht (wird offiziell nicht unterstützt), aber versucht es mal mit „mpu401=intelligent“ und diesem Patch.

Multiplayer

Kommen wir mal zu einer extrem aufwändigen Sache, die aber den meisten Spaß mit sich bringt: Der Multiplayer-Modus! Wer das Spiel im LAN (2-8 Spieler) spielen möchte, braucht NetBIOS (hier die Installationsanleitung für Win 98, eine weitere Möglichkeit für neuere Rechner gibt es hier; eine Liste der Spiele, die das sonst noch unterstützen, gibt es hier) und den entsprechenden Patch für weitere Spielmodi (Teil 1 und Teil 2). Danach steht die Option im Menü zur Verfügung, zumindest habe ich das noch so in Erinnerung.

Ich kann mich jedenfalls noch dunkel daran erinnern, das Game damals zu viert gezockt zu haben. Je mehr Leute, umso mehr Spaß macht es. Vor allen Dingen, weil das Gameplay hervorragend mit mehr Spielern skaliert: Mehr Spieler, mehr Action, mehr Taktik (wann tankt man auf, wann lädt man Waffen nach etc.). Wer mehr zu DosBox wissen will, schaut mal hier rein, es soll demnach auch mit DosBox gehen (siehe DosBox v0.74 Manual).

Hier noch ein Überblick über die neuen Modi (es werden auch drei neue Strecken mitgebracht):

  • Splitscreen: ist klar, den bekommt man so auch auf der Konsolen.
  • Clone Race: Im Prinzip Time Trial mit einem eigenen Ghost.
  • Death Match: Wie der Name schon sagt. Geht AFAIK nur auf der Strecke 9.
  • Hot Seat: Ziemlicher Quatsch! Man kann eine Zeit lang spielen und gibt dann die Tastatur bzw. das Gamepad weiter…

Alles in allem ist der LAN-Modus eine aufwändige Sache und ich kenne niemanden, der so etwas organisieren würde. 😉 Wer noch ein wenig die Kommentare der damaligen Zeit lesen will, sollte mal in die diversen Usenet-Gruppen reinschauen. Wenigstens gibt es noch ein paar Leute, die das damals im 8-Player-Netzwerk gespielt haben:

Instead of playing against one another my friend and I played on a team with two other people in 4 on 4 races. These often resulted in horribly off balanced maulings where I would destroy the other team 3 times over while my friend won the race. Ironically I would often times be able to destroy a couple of people and win the race… even in the slowest vehicle.

Klingt saulustig, allerdings muss man das Spiel schon ein wenig beherrschen, damit alle gleich viel Spaß haben. Und wenn ich selbst an diese wackeligen Netzwerkkonfigurationen denke, dann möchte man sich diesen Stress eigentlich nicht mehr geben. Ein Grund mehr zu hoffen, dass das Spiel endlich mal anständig in das 21. Jahrhundert portiert wird.

Fazit

Um die Anfangsfrage zu beantworten: Ja, Hi-Octane ist in gewisser Weise Trash. Es ist weder durchgestylt noch ist es ein Top-Titel. Aber in SVGA, AWE32-Sound und dem Split-Screen-Modus ist es auf jedem Retro-Rechner heute noch eine Bereicherung: Den Sound voll aufdrehen und ab geht es! Dann kann ich auch voll und ganz dem Power Play Review von damals zustimmen. Man kann nur hoffen, dass die DosBox-Emulation noch ein wenig besser wird oder vielleicht überrascht uns irgendwann mal ein digitaler Release des Games.

PS: Ich habe noch dieses Video gefunden:

Dies soll ein Hi-Octane Remake sein, welches mit dem Programm Blitz3D erstellt wurde. Ich kann dazu aber leider gar nichts an Infos finden… Wer mehr weiß, bitte in den Kommentaren posten!

Wertung: [7/10]

7 Kommentare zu „Hi-Octane – verkannte Perle oder Trash?

  1. Ich mag das Spiel sehr, trotz seiner Ecken und Kanten. Die PC-Version ist klar die beste von allen 3en, dank DOSBox läuft sie hervorragend und flüssig auf modernen PCs. Und die Netzwerkgeschichte dürfter unter DOSBox gar kein so großes Problem sein, das werde ich mal ausprobieren. 🙂

  2. Ich habs noch nicht getestet 🙂
    Ist eh mehr für die Sammlung gedacht
    Zumal es mittlerweile 17 Jahre her ist, dass ich die PC Version gespielt hab, wird es wohl schwer da noch etwas zu zu sagen :/

  3. Ich habe es damals (1995) bis zur Besinnungslosigkeit auf dem PC gespielt…
    Heute (Oktober 2013) für 4 Euro im An und Verkauf für die PSX gesehen und sofort mitgenommen

  4. das hab ich auch noch für den Saturn im Regal, aber noch nie gespielt. Könnte ich eigentlich mal machen.

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